Mein Bücherbord

0

Der Osten, das Leben und die Nerven

Aufbau, 318 Seiten, 16 EUR

„Wie kann einem das Leben auf die Nerven gehen?”, holt die Schriftstellerin Jana Hensel zur Gegenfrage aus, als sie gefragt wurde, ob es ihr nicht auf die Nerven gehe, dauernd über den Osten zu schreiben? Dabei: „Es gibt noch so viel zu erzählen.” In einem Band unter dem Titel „Wie alles anders bleibt” (Aufbau, 318 Seiten, 16 EUR) sind 48 „Geschichten aus Ostdeutschland” enthalten, die zwischen 2004 und 2019, verstreut in unterschiedlichen Zeitungen und Zeitschriften, erstveröffentlicht waren. Es sind scharfe Analysen einer Gesellschaft im Wandel, der sie voraussagt, dass das Jahr 2019 das entscheidende Jahr sein könnte.

Eine verunsicherte Nation hat auch Jana Simon in ihrem neuen Buch „Unter

S. Fischer, 336 Seiten, 20 EUR

Druck” (S. Fischer, 336 Seiten, 20 EUR) im Blick. Man kann die Form ihrer Darstellung durchaus semiliterarisch nennen: eine Reportage, die den Bogen über die Jahre 2013 bis 2019 spannt und Jahr für Jahr in die Biografien von sieben Protagonisten eintaucht. Faszinierend die wechselnden Perspektiven einer Krankenschwester, einer Influencerin, eines Investmentbankers, eines Staatsschützers, eines Ex-SPD-Politikers und des AfD-Chefs Alexander Gauland. Es ist wahnsinnig spannend, aus ihren Leben abzulesen, wie sich das

Land zum Unguten verändert. Ein großes Buch, das unbedingt die Lektüre und Beachtung verdient.

Ullstein, 318 Seiten, 19,99 EUR

Der Schauspieler Hannes Jaenicke und die Wissenschaftlerin Dr. Ina Knobloch machen auf den „Aufschrei der Meere” (Ullstein, 318 Seiten, 19,99 EUR) aufmerksam. Wale, Delfine, Seepferdchen, Meeresschildkröten, Kraken – alle sind in Gefahr, weil der Mensch sich nicht nur die Erde untertan gemacht hat, sondern sie auch durch Pestizide, Giftmüll, Zivilisationsrückstände geschändet hat. Wenn das Meer stirbt, stirbt auch der Mensch, sind sich die Beiden sicher. Und indem sie von der Schönheit und der Poesie des Meeres schwärmen, markieren sie die Größe des Verlustes, der uns droht.

Umberto Eco (1932 bis 2016) ist vor allem durch voluminöse, kenntnisreiche, spannende Romane bekannt. Er

Hanser, 414 Seiten, 32 EUR

war aber auch ein glänzender Publizist und Rhetoriker. Davon kann man sich in dem Band „Auf den Schultern von Riesen” (

) erneut überzeugen. Er enthält 15 Vorträge, die der italienische Schriftsteller zwischen 2001 und 2015 gehalten hat. Es geht darin um Schönheit und Hässlichkeit, das Gute und das Böse, um Wahrheit und Lüge und fake news, auch um Klimawandel und die Konjunktur von Verschwörungstheorien. Es ist sehr wohl atemberaubend, wie Eco antikes Wissen reanimiert und gegenwärtigem Denken an die Seite stellt.

Klaus Wilke

 

Teilen.

Hinterlasse eine Antwort