Nachdenken über Pückler

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Jason Sabrou und Tommaso Tezzele auf den Spuren des genialen Fürsten

 „Das ist doch was für uns”, sagte Jason zu Tommaso, als er vom Residenzprogramm „DiR – Dance in Residence Brandenburg” 2021 erfuhr. Ob er es in seiner Muttersprache, Französisch, in Tommasos, Italienisch, oder im beide verständlichen Deutsch sagte, ist nicht zu reproduzieren. Da waren acht Residenzen (Projekte) für regionale Künstler und sechs für internationale ausgeschrieben, die diesen Unterkunft und Arbeitsmöglichkeiten schaffen. Ziel ist es, den Tanz als Teil der Kultur in Städte und Wohngebiete zu tragen und erlebbar zu machen, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.

In dem Kooperationsprojekt zwischen der fabrik moves Potsdam und der TanzWERKSTATT Cottbus, das von Bund, Land und Kommunen gefördert wird, entschieden sich die Beiden für die Stadt an der Spree. Jason Sabrou (30) war am hiesigen Staatstheater von 2012 bis 2018 engagiert und wurde  in vielen Rollen Publikum gefeiert. Nach dem verletzungsbedingten Karriereende als Tänzer  hat er in der Palucca-Schule in Dresden den pädagogischen Abschluss als Ballettmeister erworben. Aus Dresden kommt auch sein DiR-Partner Tommaso Tezzele (29), seit über vier Jahren Solotänzer in der Staatsoperette und vorher u.a. auch Tänzer im Berliner Friedrichstadtpalast.

Die beiden sagen von sich, dass sie sich gesucht und gefunden haben. Tommaso: „Wir arbeiten gern in Projekten zusammen, weil wir uns gut verstehen. Gut verstehen heißt für uns nicht, immer einer Meinung zu sein. Nein, gerade Meinungsverschiedenheiten können wunderbar produktiv sein. Wenn man sie ausdiskutiert, bereichern sie. Das ist unsere Erfahrung.” Jason: „Seit zehn Jahren mit Cottbus verbunden, weiß ich um die Bedeutung Pücklers für die Stadt und die Region. Sein Leben war so ergiebig und von nachhaltiger Wirkung. Mit Schloss und Park Branitz hat er richtige Leuchttürme in eine Gegend gesetzt und damit, wie er sagte, eine seiner Lebensaufgaben erfüllt, Wüsten in Oasen zu verwandeln.” Tommaso: „Ich bewundere, wie er Landschaftsgestaltung zur Kunst machte und dazu ein hervorragender Schriftsteller wurde.” Ein Weltbürger war er. Da hatten beiden fast gleichzeitig eine Idee: „Was, wenn wir uns als Franzose und Italiener mit einer Performance dieses Menschen, dieses Künstlers und seines Werkes annähmen?” Gedacht, gesagt, getan. Sie bewarben sich, wurden eingeladen und hatten eine weitere vorzügliche Idee. Sie hatten in ihren Recherchen herausgefunden, dass Pückler vermutlich eine Dritte Pyramide errichten wollte, aber durch seinen Tod 1871 daran gehindert wurde. Jason: „Ein Symbol für Körper, Herz und Seele!“

Erste Begegnung im Treppenhaus

Als Ort für ihr tänzerisches Nachdenken über den berühmten Fürsten wählten Jason und Tommaso in Absprache mit der Pückler-Stiftung  das Schloss. Ausgestattet mit beziehungsreichen Kostümen, auf die 1250 Blätter als Sinnbilder für Pücklers unermessliches Laub- und Schriftwerk genäht sind (Jason: „Großer Dank an Frau Szabó Kuhn und das ganz Team!”), tanzen, laufen, tänzeln, springen, drehen und rangeln  sich die beiden Pücklers durch das ehrwürdige Gebäude.  Sie begegnen sich, als seien sie einander unbekannt, an der Treppe zwischen Unter- und Obergeschoss. Sie verkörpern die unterschiedlichen Seelen- und Gemütszustände des einen Fürsten. Sie messen einander. Dual auftretend, wollen sie doch eins sein. Mag sein, die Ahnengalerie, aus deren Gemäldeaugen Jahrhunderteerfahrungen sprechen, hilft ihnen dabei. Szenen im Schlafzimmer lassen vermuten, dass es hier um Intimeres in Pücklers Innenleben, um Lucie oder Machbuba vielleicht, geht. Die beiden raschelblättrigen Pücklers werden auf ihrem Weg durch das Schloss von dem Cottbuser Filmemacher Clemens Schiesko verfolgt, der ein Video von der Performance fertigt. Auf diesem wird Felix Mendelssohn Bartholdys Capriccio Sorrento erklingen – Referenz an den großn Komponisten und die Pianistin Clara Wieck-Schumann, die den von Pückler gekauften Flügel eingespielt haben.  Aber nicht nur das: „Romantik ist für mich alles”, sagt Jason und glaubt sich da Pückler sehr nahe.

Am Ende fallen die Blätter – Herbstanfang? Die Verstreuung von Pücklers Schriften in die Welt? Die Vergänglichkeit des Lebens, die unweigerlich auch Pückler traf? Tommaso: „Wir lassen das offen, wollen, dass die Zuschauer ihren Pückler finden, wie wir unseren gefunden haben.”

Klaus Wilke

–> Hier geht es zu Clemens Schieskos Video <–

 

 

 

 

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