Von einer besonderen Veranstaltung im 27. Cottbuser Bücherfrühling

 Swantje Kautz (18) absolviert in der Literaturwerkstatt P12 im Glad-House ihr Freiwilliges Soziales Jahr Kultur (FSJK). Sie kommt aus Frankfurt (Oder) und nutzt, wie sie sagt, das einzige Angebot in ganz Brandenburg, das im FSJK ihre literarischen Interessen bedient und ist sehr zufrieden damit, was hier unter Leitung von Ines Göbel geschieht. Die P12 gibt es offiziell seit 1990, hat aber ihre Wurzeln bereits in der jugendlichen Schreibbewegung in der DDR. Hierher ist Swantje also gekommen. Wer so ein freiwilliges Jahr leistet, von dem (oder der) wird ein Projekt gewünscht, in dessen Rahmen Persönlichkeit und Kompetenz entwickelt werden können.

Swantje dachte nach und sehr bald an ihre zwei Steckenpferde: das Schreiben und die Umwelt. Mit sieben hatte ihr die Oma ein dickes Notizbuch geschenkt, das sie mit Gedichten und Geschichten um Feen und Vampire füllte. Der Vater hatte sie mit Wissen um die „heiße Sonne” und die gefährliche Dürre gefüttert. Mit acht legte sie dann eine Liste an, in die sie alles eintrug, was sie für schlecht in der Welt hielt: Autoabgase, Flugzeugbenzin, Plastikmüll, Luftverschmutzung. Was der Vater erzählte, stupste ihre Fantasy-Geschichten in eine andere Richtung. Sie handelten nicht mehr in einer Fantasiewelt, sondern davon, wie wir entweder unsere Welt verändern und damit retten können oder davon, was aus unserer Welt wird, wenn wir nicht umdenken und verantwortungsvoll handeln. Die eindrucksvolle Dokumentation mit dem Titel „Tomorrow”, die sie in einem Seminar zu Beginn ihres Kulturjahres gesehen hatte, gab den Ausschlag: „Neue Wege” sollte ihr Projekt heißen und Texte über Chancen und Gefahren für die Umwelt vereinen.

 Bild: Swantje Krautz. Foto:  priv

Swantje Krautz. Foto: priv

In den nächsten Monaten arbeitete sie daran, für ihr Projekt Interessenten zu finden. Unter Teilnehmern der Literaturwerkstatt und Kindern und Jugendlichen, die sie mit Ines Göbel in Cottbuser Schulen aufsuchte, fand sie viele Mitstreiter*innen. Nach Einsendeschluss wählte sie die besten und interessantesten Arbeiten aus, diskutierte mit 16 Autor*innen und erarbeitete mit ihnen Änderungen. Am Ende stand das fertige Programm einer Lesung, die sogar Eingang in den 27. Cottbuser Bücherfrühling fand.

In der Stadt-und Regionalbibliothek moderierte Swantje, hatte Lampenfieber, das sich schnell legte, als sie merkte, dass ihr Anliegen ankam. „Tomorrow. In welcher Welt wollen wir leben? Ich möchte nicht in der Welt von heute leben”, sagte Swantje und dachte daran, wie ungerecht es ist, dass unser Wohlstand zum Nachteil von Menschen, Tieren und Ressourcen armer Länder entsteht und dass unser Konsum zu Umweltschäden führt. Durch das engagierte Mitwirken der Schreibenden sei ihr bewusst geworden: „Unsere Generation ist nicht plötzlich durch Greta Thunberg politisch geworden. Wir waren schon immer politisch. Doch wir hatten nicht das Gefühl, dass uns jemand zuhören würde. Das hat sich nun geändert.”

Und es wurde zugehört an diesem Nachmittag. Geschichten aus einer Welt, in der eine Plastik-Polizei für Ordnung sorgt auf dem Plastik-Schwarzmarkt und anderswo; in der sich ein Frau mit 85 (die durchschnittliche Lebenserwartung ist auf 150 angestiegen) vor zum Teil menschengemachten Naturkatastrophen in eine Höhle flüchtet; in der die Erde glatzköpfig wegen der vielen Rodungen erscheint; in der ein „Vernunfts-Einrede-Generator” die Menschen auf Linie bringt; in der Tiere und Pflanzen durch eine Artenschutz-App geschont werden. Geschichten, die eine Welt im Wanken und im Wandel zeigen.

„Es sind unsere Stimmen”, sagte Swantje, „und sie sollen weit über die Lesung hinausreichen.”

Klaus Wilke

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