Theatergeflüster (April 2016)

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Mit 17 war ich auf das Schiff gekommen. Ich mit meiner Trompete. Das war im Januar 1927.

Das Schiff: die „Virginian“, immer unterwegs zwischen Europa und Amerika. An Bord: reiche Leute auf Reisen, Auswanderer und wir – die Bordkapelle. Wir spielten drei, vier Mal am Tag. Erst für die reichen Gäste der Luxusklasse, dann für die 2. Klasse und hin und wieder auch für die armen Emigranten der Holzklasse. Wir spielten Ragtime, damit sie tanzten und nicht merkten, wie die Zeit verging, denn wer tanzt, stirbt nicht und fühlt sich wie ein Gott. Wenn Gott ein Schwarzer ist, tanzt er zu dieser Musik! Jawohl, so ist das!

Am Klavier: Danny Boodmann T.D. Lemon Novecento. Der Größte! Der beste Pianist, der je auf einem Ozean gespielt hat. Was er spielte, das existierte noch gar nicht, bevor er es spielte. Das gab es sonst nirgends! Es hat Leute gegeben, denen die Tränen in die Augen gestiegen sind, als sie ihn spielen hörten. Ach, was sage ich: Manche fielen sogar in Trance! Ich schwöre es! Danny Boodmann war ein schräger Vogel. Er wurde auf der „Virginian“ geboren und hat das Schiff nicht ein einziges Mal in seinem Leben verlassen. Nicht einmal in all den Jahren! Trotzdem hat er auf den 88 Tasten seines Flügels von der Welt erzählt, als kenne er sie bis in den letzten, geheimen Winkel. Einfach unglaublich! Er wurde mein bester Freund.

Als ich ihn das letzte Mal sah, saß er auf einer Bombe… Aber das ist eine lange Geschichte. Er sagte immer: „Solange du eine gute Geschichte hast und jemanden, dem du sie erzählen kannst, bist du noch nicht am Ende!“ Und ich, ich habe eine gute Geschichte! Eine über Danny Boodmann T.D. Lemon Novecento und ich erzähle sie ab dem 30. April in der Kammerbühne!

Kommen Sie an Bord, ich freue mich darauf!

Ihr Tim Tooney alias Gunnar Golkowski     

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