Theatergeflüster

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Fast jeden Tag um 7.30 Uhr stehe ich am Bahnhof Zoologischer Garten und nehme den ODEG-Zug nach Cottbus. Ich glaube fest daran, dass sich die Pendler zu einer heimlichen Gemeinschaft des frühen Aufstehens und Bahnfahrens zusammengeschweißt haben. Keiner grüßt den anderen, aber man solidarisiert sich miteinander, ohne Worte, kennt sich, respektiert sich. Wie alte Bekannte, von denen man eben nur nichts weiß und sie nicht grüßt. Die ersten Tage habe ich hier in Cottbus immer brav den Ausgang vom Bahnhofshauptgebäude benutzt, die Gleisbrücke überquert, auf der es bei schlechtem Wetter wirklich ganz ungemütlich werden kann, bis ich drauf gebracht wurde, dass es ja diesen etwas unheimlichen Fußgängertunnel gibt, der mir den Weg um fast acht Minuten verkürzt. Diesen Tunnel in Richtung Intendanzgebäude benutze ich nun fast täglich, jedes Mal etwas peinlich berührt davon, dass ich ihn nicht früher selbst entdeckt habe – und außerdem, angesichts der Architektur, mit einem Hauch der Faszination eines ahnungslosen Kindes für einen Weltkriegsbunker. Dabei bin ich schon ein halbwegs erwachsener Dramaturg, der gerade für einige Wochen einen erkrankten Kollegen hier am Staatstheater ersetzt. Besonders freue ich mich auf die Premiere des Musicals „Sugar“ mit der schmissigen Broadwaymusik von Jule Styne, der Hits wie „Let it snow! Let it snow! Let it snow!“ schrieb. Und immer, wenn ich durch die leeren Straßen von Cottbus laufe, denke ich: Das Staatstheater Cottbus ist so ein tolles Haus, das inzwischen sogar viele Berliner lieber besuchen als eines der drei ihrigen Opernhäuser. Diese Stadt hat noch viel mehr Selbstbewusstsein verdient. Erstens, weil sie viel schöner ist als wir Wessis meinen – und zweitens, weil wir hier das Staatstheater haben, in dem große Stücke wie „Sugar“, übrigens komponiert nach dem Film „Manche mögen’s heiß“, mit großartigen Sängern, Tänzern und Musikern gezeigt werden. Cottbus wird also ab dem 25. Juni zum „Broadway des Ostens“ – besonders im September, wenn das Musical dann fast jeden Tag gezeigt wird. Wir sehen uns! Ach nein, Sie kennen mich ja gar nicht!
Ihr unbekannter Pendler vom Staatstheater: Arno Lücker

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