Wie unmöglich darf Theater sein?

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Antworten sucht eine Serie mit drei Regisseurinnen und Regisseuren und Schauspielerinnen und Schauspielern

 Mirjam Fehlker ist die stück- (bzw. serien-)betreuende Dramaturgin für die Serie „Das unmögliche Theater”, deren erster Teil „Der große Marsch” am 7. Dezember in der Kammerbühne des Staatstheaters Premiere hat. „Der große Marsch” ist ein Stück des in Hamburg geborenen Leipziger Dramatikers und Lyrikers Wolfram Lotz, erklärt die Dramaturgin. Es sei ein Paradestück des von Lotz kreierten „Unmöglichen Theaters”.

„In diesem Unmöglichen Theater ist alles möglich”, erklärt Mirjam Fehlker, die, aus Konstanz kommend, seit Beginn der Spielzeit im Staatstheater tätig ist. „Der erfolgreiche und wiederholt preisgekrönte Bühnenautor kritisiert die Theaterleute, also seine Kollegen, weil sie zumeist die Wirklichkeit als Kriterium für Theater nehmen und den Zündstoff Fantasie vernachlässigen. Für Lotz ist Theater ein Ort für Visionen, ein Experimentierfeld, schier Undenkbares auszuprobieren. Seine Forderung ist eine Aufforderung zum Unglauben.”

Da hat sie via Drucker einen Text aus dem Computer geholt, der sich als eine Rede von Wolfram Lotz zum Unmöglichen Theater entpuppt. Darin heißt es u.a.: „Man hat versucht, uns zu erzählen, dass die Zeit linear vergeht. Das stimmt, aber wir glauben es nicht. Man hat versucht, uns zu erzählen, dass alles von oben nach unten fällt. Das stimmt, aber wir glauben es nicht. Man hat über Jahrtausende versucht, uns zu erzählen, das wir sterben müssen. Auch wenn es stimmt, wir glauben es nicht.” Und wenn die „Ideologen des Bestehenden” auf die Wirklichkeit pochen, die nun mal so sei, wie sie ist? „Aber nur weil es stimmt, müssen wir es nicht glauben.”

Dieser „Unglaube” weckt Aktivität und Motivation. Lotz: „Wenn wir schreiben” (Literatur schaffen und/oder Theater spielen), so schreiben wir nicht einfach die Welt ab (…), sondern wir entwerfen Vorschläge, Änderungen, Forderungen…” Alles muss seine Chance erhalten, geprüft und ausprobiert werden, verworfen oder weiterentwickelt.

„Das sind gewissermaßen die Regeln, denen sich alle drei Teile unserer Serie unterwerfen”, erklärt Mirjam Fehlker. „Der erste Teil, wie schon gesagt, ist das Stück von Wolfram Lotz, in dem Frau Merkel (die ,echte‘, fordert er in einer Regieanweisung), der Anarchist Bakunin, Prometheus, eine Schlange und eine Seegurke (sie stellt sich in unserem ,Theatergeflüster‘ vor) vorkommen. Und weil das zeitgenössische Theater eine Kopfnuss kriegen muss, geistern ein trotteliger Theaterautor durch die Szene und ein Regisseur, der sich, obwohl er ja die Fäden in der Hand haben sollte, das Auftauchen der Schlange nicht erklären kann. Wie soll da die Schauspielerin, um die sich die ganze (eigentlich nicht vorhandene) Handlung dreht, das Geheimnis der Unsterblichkeit ergründen?”

Keine Figur sei so wie erwartet, so die Dramaturgin, Dialoge geraten in das Absurde und Absonderliche. Gewollt, denn die Provokation erzeugt Nachdenken, Veränderung. Die Wirklichkeit wird so herausgefordert, dass man mit Lust und Freude daran scheitert, fällt, aufsteht und neu beginnt.

Das ist „Der große Marsch”. Ihm schließen sich zwei weitere Teile an, die gegenwärtig noch geschrieben werden. Mit diesem Gesamtprojekt fordern sich die drei in Cottbus lebenden Regisseurinnen Wiebke Rüter, Claudia Grönniger und Regisseur Marian Joel Küster selbst heraus, über die Realität hinauszuwachsen und das Unmögliche möglich zu machen. Das geschieht in allen drei Teilen im gemeinsamen Bühnenbild von Jana Wassong und mit denselben vier Schauspielerinnen und Schauspielern. Es spielen Sophie Bock, Sigrun Fischer, Gunnar Golkowski und Markus Paul. Schräg und humorvoll, mit Spiellust und Experimentierfreude entstehen Geschichten und Bilder, die Unmögliches greifbar machen: Die Überwindung des Todes, den Sieg über die Angst, die perfekte Konsistenz von Kartoffelbrei.

Premieren sind am 7. Dezember („Der große Marsch”), 17. Januar (2.Teil), 13. März (3. Teil).

 

Klaus Wilke

 

Anmerkung: „Das ungewöhnliche Theater” tritt wegen eines Krankheitsfalles an die Stelle der ursprünglich geplanten Serie „Der Riss”.

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