Als läge Cottbus am Matterhorn

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Warum Chefbühnenmanagerin AnnaLisa Canton so ist,  wie  sie ist

Wer regelmäßig im Staatstheater Cottbus zu Gast ist, sei es in regulären Vorstellungen, offenen Proben und anderen Darbietungen, kennt AnnaLisa Canton. Kein Name steht so oft in den Programmheften wie der Ihre. Kaum ein Künstler muss/darf so oft präsent sein, wie sie es ist. Die grazile Italienerin wirbelt vor, auf und hinter der Bühne herum, ist immer da, wenn sie gebraucht wird. Ein Wirbel aber, der für Ruhe und normalen Ablauf sorgt, weil er sich in aller Ruhe und durchdacht vollzieht. Man spürt: Da sind Verlässlichkeit, Exaktheit und Pünktlichkeit. Die Frau ist Chefbühnenmanagerin und koordiniert damit die Arbeit der Inspizienten, Souffleusen und Regieassistenten. Oft tritt sie auch selbst als Regisseurin, Regieassistentin, Choreografin, Darstellerin, Tänzerin und notfalls als Stimmendouble für ein, zwei, drei abwesende Sängerkollegen auf. Ohne AnnaLisa geht (fast) nichts, weil eines ihrer Prinzipien heißt: „Geht nicht” gibt’s nicht. Ein Phänomen, diese Frau.

…und am Ende eines Wettbewerbs
Foto: Giovanna Canton

Ein Phänomen, das zu hinterfragen und zu erforschen sich lohnt. Alles folgt ja etwas Anderem, und ein Jedes hat ein Vorher und ein Danach und auch ein Daneben, was oft sehr wichtig ist. AnnaLisa Canton, in Mailand geboren, hat ein Vorbild: Ihren Vater (90). „Er war ein Verlagsmanager, der in seiner Arbeit aufging. Die Arbeit war für ihn ein Heiligtum, das er zelebrierte – kreativ, verlässlich, exakt und pünktlich. Unter diesem Einfluss aufwachsend, war Selbstverwirklichung moralische Pflicht.”  Und Spaß hatte sie daran, konnte mit drei Ski fahren, mit vier lesen und schreiben, bald rechts und links – eine Kunst – gleichzeitig schreiben, lernte als Kind englisch, tanzte, trieb jede Menge verschiedenen Sport, ausdauernd und mit ästhetischem Anspruch. Studierte schließlich Literatur und Kunstgeschichte, las Goethes Faust im Original („für eine Italienerin sehr schwer”) Danach trat sie eine Bühnentanzweiterbildung an, die zugleich eine Ausbildung in Musik und darstellendem Spiel umfasste.

Auf sie wartete die Bühne. In Deutschland „mit seiner”, wie AnnaLisa sagt, „bewundernswerten, einzigartigen Theaterlandschaft” (es gibt 140 öffentlich getragene und 220 private Theater, KW). Ihre ersten Station war das damalige Vogtlandtheater in Plauen: „Als Tänzerin dort, das war wie der Sprung in ein neues Leben.” Das setzte sich 2000 bis heute in Cottbus fort.

 Neben dem Tanz hatte sie die Musik genauso wie der Sport gepackt. Von einer Freundin mit Opern-CDs „überschüttet”, begeisterte sie sich daran, Opernpartituren auswändig zu lernen. Was für eine Erleichterung für den Sport, die endlosen Läufe, die sich in Training und Wettkampf antat! „Wenn der Don Giovanni im Kopf fertig gesungen ist, ist der Marathon fast vorbei.” Da ist AnnaLisa Canton hartnäckig, läuft, läuft und läuft, fährt Rad, Rad und nochmals Rad, schwimmt. Ja, auch dem Triathlon geht sie nicht aus dem Weg. Eines ihrer Prinzipien: „Man muss bereit sein zu leiden. Nur über das Leiden erfährt man mehr über sich selbst.” Und wer Leiden zu ertragen schafft, ist fähig zur Leidenschaft. Der zum Theater zum Beispiel. Die Liebe zu den Kulissen, wie sie die Natur geschaffen hat oder Handwerker in den Theaterwerkstätten immer wieder hinzaubern. Weil sie Herausforderungen vor den malerischen Kulissen der Alpen  sucht und besteht, ist sie für Herausforderungen im Theaterleben gewappnet. Man staune: Weil es ja ein „Geht nicht” nicht gibt, hat sie sich, natürlich unter konsequenter Führung eines Bergmenschen, erfolgreich an die nicht ungefährliche Besteigung des Matterhorn (4478 m) gewagt. „Wer Künstler sein will, muss ein bisschen verrückt sein”, räumt sie ein.

Was für ein erfülltes Leben, in dem sie sich gern an ihre Cottbuser  Ballettrollen in „Romeo und Julia”, „Max und Moritz”, „Das Prachtstück”, an die Choreografie des Holzschuhtanzes oder an die Regie beim „Traumfresserchen”. Immer ist da Arbeit. Sie sieht sie. Ein Heiligtum. Sie geht mit ihr um, als auch Cottbus am Matterhorn. Wen wundert es da noch, dass sie in den Nullerjahren ganz nebenbei ihren Dr. phil. gemacht hat. Ich sag’s ja, ein Phänomen, diese Frau.

Klaus Wilke

 

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