Henry Müller aus Cottbus-Willmersdorf ist Video-Assist in der 2. Bundesliga
Wenn es um höherklassigen Fußball in der Lausitz geht, fällt zumeist der Name Energie Cottbus. Erst recht seit 1997, als der Club erstmals die zweite Bundesliga erreichte. Endgültig auch überregionale Bedeutung erlangte der 1966 als BSG gegründete Verein in 2000, als es Kult-Trainer Eduard Geyer gelang, mit Irrgang, Labak, Franklin & Co. in die höchste deutsche Spielklasse aufzusteigen. Sechs stolze Jahre gehörte der FCE der Bundesliga an – geblieben sind rückblickend nur die Erinnerungen an die glorreichen Zeiten.
Heute nun, 20 Jahre danach, ist Energie Cottbus nach einigen oft selbst verursachten Abstiegen in den Niederungen des Fußballs angekommen.
Doch gab es daneben in den vergangenen Jahren Fußball-Aufstiege, die allerdings von den Fans weitgehend unbemerkt blieben. Was daran liegt, dass die Spielleiter von Fußballspielen zumeist ihre Arbeit aufgrund der angemahnten Unparteilichkeit abseits des Wohnortes erledigen. Und genau deshalb sind die Aufstiege des Brandenburger Schiedsrichters Henry Müller vom treuen Publikum eher unbemerkt geblieben.
Der heute 32-Jährige trat 2001 der so genannten „schwarzen Zunft“ bei, um in den letzten zwei Jahrzehnten an Lausitzer Schiedsrichter-Traditionen der früheren DDR-Oberliga-Schiedsrichter Hans Neumann (Forst) oder Klaus-Dieter Stenzel (Senftenberg) anzuknüpfen.
Nach den Anfangsjahren, in denen der aus Willmersdorf stammende Müller sich als Assistent in den Kreisspielklassen und als Schiedsrichter bei der Willmersdorfer Ü35 seine Sporen verdiente, ging es für ihn Schritt für Schritt nach oben. Im Männerbereich angekommen, vollzog sich in der Spielzeit 2016/17 ein großer Schritt in seinem Ehrenamt, wurde er doch hier neunfach als Referee in der 3. Liga eingesetzt, daneben wurde er zehn Mal als Linienrichter in der 2. Bundesliga eingesetzt.
Mit diesem Aufstieg in die 3. Liga war Henry Müller nach seinen 15 Schiedsrichter-Jahren seinem Traumziel Bundesliga-Schiedsrichter zu werden, bereits recht nah gekommen. Im Sommer des Vorjahres platzte dieser Traum, obwohl er bis dahin schon 29-fach als Spielleiter in der 3. Liga eingesetzt wurde: „Es gibt eine ungeschriebene Regel beim DFB, nach der die Unparteiischen maximal drei bis vier Jahre in dieser Spielklasse agieren dürfen. Danach wird entschieden, ob sie für noch höhere Aufgaben infrage kommen. Bei mir war das leider nicht der Fall, aber das ist vollkommen ok. Das Amt mit der Trillerpfeife bleibt mir in dieser Spielklasse versagt, aber dafür wurden meine Stärken so eingeschätzt, dass ich weiterhin als Assistent an der Seitenlinie und 4. Offizieller bei Zweitligaspielen agieren darf!“
So reist Henry Müller weiterhin quer durch die Republik, um bei den Partien der 2. Bundesliga mit seiner Fahne strafbare Abseitspositionen zu bewerten und dann auf den Punkt da zu sein, wenn der Schiedsrichter auf dem Platz seine Unterstützung benötigt. „Auch diese Aufgabe ist wahnsinnig anspruchsvoll und weiterhin hochinteressant. Ich sehe das als Aufstieg in diese hoch spezialisierte Schiene der Schiedsrichter-Assistenten.“
Dieser „Aufstieg“ ist mit dem regelmäßigen „Abstieg“ in Deutschlands derzeit absolut modernsten Keller verbunden. Gemeint ist das „Video-Assist-Center“ (VAC) in Köln-Deutz. Seit der Einführung des Videobeweises im Jahr 2017 soll hier, im ersten Untergeschoss der denkmalgeschützten Rheinhallen, für maximale Gerechtigkeit im deutschen Fußball gesorgt werden. „Nicht etwa, weil ich nun zum Personal der Videoschiedsrichter gehöre, finde ich genau wie all meine Kollegen diese moderne Art der Unterstützung der Schiedsrichter großartig. Wir wollen doch alle, dass es auf dem Spielfeld so gerecht wie nur möglich zugeht. Und wenn man sich heute moderner Technik bedienen kann, die aufgrund ihrer unterschiedlichen Sichtachsen auf die Situation eine optimale Einschätzung ermöglicht, muss man diese Möglichkeiten auch einfach nutzen“, findet Henry Müller. Der in der Vorsaison zur Begleitung der Zweitligapartie Greuther Fürth gegen Jahn Regensburg erstmals in den „Kölner Keller“ abstieg und seitdem bei weiteren sieben Partien seine Augen auf die Riesenbildschirme seines neuen Tätigkeitsbereiches beim Deutschen Fußballbund DFB richtete.
Text und Foto: Georg Zielonkowski