Man sollte meinen, die besten Porträts entstünden zu Lebzeiten des Porträtierten. Doch als das treffendste Pückler-Bild aller Zeiten entstand, hütete der grüne Fürst schon seit rund 150 Jahren seine Pyramide. Die Rede ist natürlich von „Pückler im Park“, einem Meisterwerk des Cottbuser Malers Günther Rechn.
Dieses Bild zeigt den Fürsten mit Fez auf dem Kopf, er schreitet auf hohen Stelzen; im Hintergrund ragt seine Grabpyramide auf, die er vielleicht hinter sich gelassen hat. Es scheint etwas von der Essenz des Lebemannes und Abenteurers zu erfassen. Und in seiner Prägnanz ist es typisch für die Arbeiten von Rechn. Doch wer ist der Künstler eigentlich?
Günther Rechn wurde 1948 in Łódź geboren. Seine Familie stammt aus dem Baltikum und war mit Talent reich beschenkt – sein Vater war ein Sprachgenie, sein Onkel ein hochbegabter Maler und Grafiker.
Und auch der junge Rechn zeigte früh eine künstlerische Veranlagung. „Meine Mutter erzählte oft, dass ich schon gezeichnet habe, bevor ich laufen konnte,“ berichtet er. „Und ich selbst erinnere mich daran, wie ich als Vierjähriger versucht habe, zu zeichnen, wie ein Zug um die Kurve fährt. Ich wollte unbedingt erreichen, dass das perspektivisch hinkommt und dachte mir: Das musst du einfach können! Dabei habe ich mir fast die Finger abgebrochen, aber schließlich habe ich es hinbekommen.“
Diese Anekdote scheint von jenem fast obsessiven Streben nach Meisterschaft zu zeugen, das laut der Entwicklungspsychologin Ellen Winner außergewöhnlich begabte Kindern kennzeichnet.
Die Familie zog nach Halle um. Hier verbrachte Günther Rechn bald viele Stunde im Zoo, um Tiere zu zeichnen – ein Sujet, das ihn bis heute fasziniert und mit dem ihn viele Kunstinteressierte assoziieren.
Als Jugendlicher schloss er sich dem Kunstzirkel von Hans Rothe an und wurde schließlich, siebzehnjährig, in den Zirkel von Hannes H. Wagner aufgenommen.
Über einige Umwege landete Rechn dann an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein, wo er wiederum bei Hannes Wagner studierte, ebenso wie bei Lothar Zitzmann und – nicht zuletzt – bei Willi Sitte. „Hannes Wagner war mehr der väterliche Mentor. Aber derjenige, bei dem man viel lernen konnte, der uns dazu anregte, unser Formbewusstsein zu entwickeln, das war Willi Sitte. An ihm habe mich orientiert, weil er so ein hervorragender Zeichner war. Ich habe mir gedacht ‚So musst du zeichnen können.‘ Aber nicht genauso wie er! Man sieht bei meinen bewegten Figuren bis heute, dass eine Spur von ihm geblieben ist, doch es ist eine ganz andere Malweise, eine ganz andere Herangehensweise und Zielrichtung.“
Die Zeit an Kunsthochschule hat den Künstler geprägt
„Burg Giebichenstein ist für mich nachgerade bis heute ein fester Erinnerungspunkt.“ Jedoch: „Ich kleb da nicht dran, auch nicht an Willi Sitte, zumal seine Auffassung über die Dinge, über die Weltläufe, nie die meine war. Er war zudem ein ausgesprochener Katzenmensch. Er wusste, dass ich Hunde hatte und die mochte er nicht. Aber trotzdem habe ich ihn sehr geschätzt und über die Jahre sind wir uns fast freundschaftlich nah gekommen.“
Nach den Jahren an der Burg Giebichenstein zog es den Künstler in die Ferne. 1977 landete er in der Niederlausitz. Nach der Wende verbrachte er viel Zeit in Grosseto, da ihn das einzigartige Licht der Toskana faszinierte, ebenso wie die Mentalität der Menschen. Seine Arbeiten wurden und werden in zahlreichen Ausstellungen gezeigt, zunächst in der DDR, dann in Gesamtdeutschland, Italien, der Tschechischen Republik, Frankreich und Polen. Heute lebt Günther Rechn als freischaffender Künstler in Cottbus. Er gilt als einer der bedeutendsten Maler Deutschlands und wurde vielfach ausgezeichnet.
Eingefrorene Bewegungen
Rechn ist unglaublich gut darin, Bewegungen auf Papier zu bannen. Diese Fähigkeit hat er im Laufe seines Künstlerdaseins perfektioniert. In seinen Anfangsjahren gelang ihm das, indem er sich lebhaft in die Tiere oder Menschen, die er malte, hineinversetzte, so sehr, dass er mitunter unwillkürlich deren Haltung einnahm. Später, in den 80er-Jahren, besuchte er zahlreiche Reitturniere, um die Pferde und Reiter in der Bewegung zu zeichnen. Diese Arbeiten zeugen bereits von seiner hohen Kunstfertigkeit. Er erzählt: „Einige meiner Skizzen gerieten dann in die Hände der DHfK (Deutsche Hochschule für Körperkultur) – und plötzlich war ich einer der Preisträger.“ 1985 erhielt er den Preis der Ausstellung „Kunst und Sport“.
Wie kann man sich eigentlich den Malprozess eines Günther Rechn vorstellen? Er erläutert: „Ich hatte über viele Jahre ein sehr gut entwickeltes eidetisches Gedächtnis. Ich stelle mich vor die Staffelei und habe eine Vorstellung. Ich mache mir vorher ganz wenig Skizzen, beginne einfach das Bild. Ich ziele beim Malen auf das Abenteuer ab. In diesem Akt des Malens entwickelt sich das Bild erst, denn sobald man an einer Stelle etwas verändert, zieht das einen Rattenschwanz weiterer Veränderungen nach sich. Zwar habe ich eine bestimmte Zielvorstellung, doch von der weiche ich mitunter drei-, viermal ab. Wenn ich merke, dass das Werk unverhofft eine andere Richtung einschlägt, verfolge ich die Spur weiter.“
Und doch gibt es beim Malen gewisse Konstanten: „Der österreichische Bildhauer und Maler Alfred Hrdlicka verwendete einen Trick, seine manisch-magische Ecke nannte er das. Er hat immer links unten angefangen – und dann ging es auf der ganzen Fläche weiter. Nun, bei mir ist es so, dass ich fast alle meine Bilder auf eine Dreieckskomposition zurückführen kann.“
Wichtig sei es auch, den richtigen Zeitpunkt zu finden, um mit dem Malen aufzuhören. „Es geht darum, dass das Bild noch gewisse Unzulänglichkeiten hat, einfach, um Spannung zu erzielen. Mir geht es nicht ums ultimativ perfekte Bild, sondern es muss am Ende stimmen. Die Kontraste müssen so gebaut sein, dass das Ergebnis sozusagen symphonisch wird.“
Jasper Backer