Wolfstour

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Auf den Spuren von Meister Isegrim

Der Wecker klingelt um 4:15 Uhr und ich springe aus dem Bett. Nur zwei Stunden Schlaf wurden dem Geiste abgetrotzt, denn ich trug diese seltsame Aufgeregtheit in mir, als gehe es auf große Reise. Leise laufen die morgendlichen Abfolgen ab. Im Rucksack werden Thermoskanne, Proviant, Fotokamera und ein Fernglas verschnürt. Draußen ist Vollmond. Wie passend, denke ich mir, und dann geht es zum verabredeten Treffpunkt. Es gibt sicher einige Anbieter dieser Art Erlebnistrip, ich habe einfach im Internet geschaut und nach Gefühl gebucht und heute ist es soweit. Die Tour heißt: „Ein Tag unter Wölfen“.

Es gibt einen weiteren Tour-Teilnehmer und er kommt ebenfalls aus Cottbus. Wir fahren zusammen nach Hoyerswerda, wo wir den Wolfsbiologen erwarten, der die Tour leitet, der Alphawolf sozusagen. Auf dem Weg sehe ich am Straßenrand einen Fuchs. Fängt gut an, so kann es weitergehen. Unser Tourleiter ist Stephan Kaasche. Das ist höchst erfreulich, denn hierzu muss ich folgendes erklären: Vor zwei Jahren saß ich im Cottbuser Kino Weltspiegel und schaute mir im Rahmen des Osteuropäischen Filmfestivals die Eröffnungsveranstaltung Lausitzer Filmschau an. Den Sonderpreis der Stiftung für das Sorbische Volk gewann der Dokumentarfilm „Naturschutzgroßprojekt Lausitzer Seenland“. Klingt trocken, war es aber nicht. Im Film gab es spektakuläre Aufnahmen von Wölfen (z. Bsp. die Jagd einer Wildschweinrotte) im ehemaligen Tagebau Spreetal nördlich von Hoyerswerda zu sehen. Stephan Kaasche hat diese Aufnahmen gemacht und er nahm damals den Preis entgegen.

Naturfreunde stehen früh auf

Wir fahren zu Dritt in seinem Auto zu jener Stelle, an der ihm die Bilder gelungen sind. Wie ich schnell begreife, ist der Flecken nicht unbekannt. Es ist DER Hotspot gewissermaßen, der Aussichtspunkt oberhalb des Bergener Sees. Obwohl die Sonne noch nicht aufgegangen ist, sind bereits Naturfreunde mit Teleobjektiven vor Ort. Tja und dann heißt es warten, ein wenig frieren und die Klappe halten. Die Gegend unter uns wirkt beinahe wie eine gut imitierte Savannenlandschaft in einem Tierpark, läge nicht irgendwo der LKW herum, der vor ein paar Jahren durch den massiven Erdrutsch mitgerissen und seitdem nicht geborgen wurde. Das ist echt. Mehrere Kraniche schimpfen miteinander. Drei Rehe tauchen am Waldsaum auf. Ein Seeadler zeigt sich. Ein Schwarzspecht kommt ins Taumeln. Einige Raben fliegen tief und verraten womöglich die Anwesenheit der Wölfe, da sie auf Aasreste gieren. ABER die Damen und Herren Isegrim tauchen nicht auf. Schade.

 

Wolf-Trittsiegel (Pfotenspur)

Nach etwa zweieinhalb Stunden gehen wir mit Stephan Kaasche unsere erste große Runde. Monitoring ist angesagt. Der Begriff bezeichnet die Beobachtung, Aufzeichnung und statistische Erfassung von wildlebenden Wölfen. Kaasche erweist sich als unterhaltsamer und versierter Mentor in vielerlei Themen. Wir entdecken und vermessen Trittsiegel (Pfotenabdruck) von Wölfen. Lernen den Unterschied zu Hundespuren und erfassen Spurbilder und Schrittlängen. Wir erfahren wissenswertes über Bodenbeschaffenheit, Vegetation und die Folgen unserer Lausitzer Tagebau-Devastierung. Und wir hören alles über den Wolf und seine Nachwirkungen auf uns alemannische Zweibeiner, seit er sich im Jahre 2000 in der Muskauer Heide erstmals wieder reproduzierte, also

Monitoring-Protokoll

Nachwuchs bekam. Auch vorher sind durchaus einzelne Tiere aus Polen eingewandert. Vor 1990 wurden sie geschossen. Stephan Kaasche arbeitet als freier Mitarbeiter bei der Wolfsscheune Rietschen. Die Informationsstelle bietet Schulungen, Vorträge, Exkursionen und weitere Angebote zum Thema Wolf in Sachsen an und unterstützt dabei das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie. Das LfULG hat eine Broschüre mit dem Titel „Herdenschutzhunde und sichere Einzäunung“ für Schäfer und Weidetierhalter herausgegeben. Der Angst, Panik oder Naivität vor dem Wolf versucht man längst mit konkreten, wirksamen Maßnahmen entgegenzutreten. Banal gesprochen: Wenn der Wolf keine Einladung erhält, dann kommt das scheue Tier auch nicht. Der Ausschluss ist besser als der Abschuss.

Abmessen der Wolfslosung (Kackwurst)

Wir erfahren, dass Familie Isegrim sich am Bergener Aussichtspunkt nicht mehr gezeigt hat, dafür finden wir ihre Markierung: Wolfslosung. Nur die beiden Elterntiere des Rudels, also Mama und Papa Wolf markieren an wichtigen Punkten das Revier. Zack, das Maßband rausgeholt und abgemessen. Ja, das ist der Moment zum Lächeln, da hockt man am Boden und ermittelt die Länge einer Wolfskackwurst. Wir werden an diesem Tag noch viele Exkremente finden und es ist mir schleierhaft, wie ich das vorher ignorieren konnte? Wer nun glaubt, Wolfs-AA erinnere an den gewöhnlichen Hundehaufen, der irrt. In der Gegend um Hoyerswerda gibt es viele Wildschweine, ergo stehen diese auf dem Speiseplan, ergo besteht die Konsistenz der Wolfslosung aus Borsten. Kreislauf der Natur höchst klipp und klar am Wegesrand.

Fotobeweis ist wichtig

Wir verlassen Hoyerswerda und fahren in das Naturschutzgebiet Zschornoer Wald nach Brandenburg. Auf dem ehemaligen NVA-Gelände (Vorsicht Blindgängergefahr!) durchstreifen wir unsere zweite große Runde. Der Boden ist sandig und daher ideal geeignet zum Spurenlesen. Tatsächlich. Sie sind überall. Trittsiegel und Losungen eines anderen Rudels. Es dämmert langsam und wir waren einen tollen Tag von Sonnenaufgang bis Untergang draußen in der Natur. In der Dämmerung beginnt Action. Wildschweine brechen vor uns aus dem Dickicht und ein Rothirsch rennt quer über den Weg. Alle zeigen sich, nur der Wolf nicht. So ist er eben. Ehrlich gesagt, hatte ich vor den Wildschweinen mehr Bammel. Im Auto kreischt uns das Radio an. Es war nicht lauter eingestellt als sonst. Wir waren so leise.

Daniel Ratthei

Mein Tipp: Wer auf eine geführte Wolfstour Lust hat, der besuche die Webseite www.wolflandtours.de. Die maximale Teilnehmerzahl der Touren beträgt sechs Personen.

 

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