Die Geheimnisse meiner Frau

0

Das Geheimnis der ewigen Jugend

Als es zum ersten Mal passierte, als ich noch nicht wusste, was los ist, trieben mich der ungewöhnliche Ton und die Suche nach meiner Lieben durch unser Haus. Es war Samstagfrüh, es war noch dunkel draußen, und so ein seltsames technisches Geräusch hatte mich geweckt. Ich war allein im Bett, stand auf und lief die Treppe nach unten. Dort wurde der Ton lauter und ich spürte ein leichtes Vibrieren des Bodens, als würde die Waschmaschine im Schleudergang spülen. Ich fand meine Frau schließlich im Wohnzimmer vor dem Fernseher stehend und ihr Gesicht war – unscharf. Ich glaubte zunächst, das liegt an meiner morgendlichen Kurzsichtigkeit, dann schaute ich aber an ihr herunter und sah, dass sie auf einer Art Rüttelplatte stand, die sie, nachdem sie meiner gewahr geworden war, per Fernbedienung ausschaltete.

„Ich wollte eigentlich nicht, dass Du mich so siehst“, sagte sie.

„Was ist das?“, fragte ich erschüttert.

„Das verstehst Du sowieso nicht“, sagte sie, „das kommt aus Amerika, damit kann man seine Bauchmuskeln trainieren. Das kannst Du ruhig auch mal machen.“

Wenn sie gerade auf dem Selbstkasteiungs-Trip ist, macht sie sich über Wochen zum Frühstück einen Pamps aus Magerquark, Braunhirse, Blütenpollen, Leinöl, Goji-Beeren und weiteren Zutaten, von denen ich noch nie gehört habe und fordert mich auf, davon auch mal zu probieren. „Respekt“, sage ich dann, „ich würde das nicht hinter kriegen.“ Mittags kocht sie aus Möhrenstücken und anderen Gemüseresten eine Wassersuppe, die nach Nichts schmeckt und nach alter Wäsche riecht. Meine greise Mutter, die zufälligerweise zu Besuch war, erzählte spontan vom Hungerwinter 1946/47.

Ich bewundere meine Frau für die Energie, die sie aufwendet, um kulinarische Grenzsituationen herbeizuführen. Sie hat zuletzt einen Dörrapparat gekauft, in den sie frische, leckere Erdbeeren legt, die nach acht Stunden verschrumpelt herausgeholt werden. „Das ist die schonendste Art, das Obst haltbar zu machen“, erklärt meine geheimnisvolle Frau, „Du kannst sie morgen in Deinen Frühstücksjoghurt streuen.“

Ich verzichtete benommen auf den Hinweis, dass ich mir morgen ja auch die frischen Früchte in den Joghurt schneiden könnte.

Hellmuth Henneberg

         „Die Geheimnisse meiner Frau“ von Hellmuth Henneberg  (mit Illustrationen von Antje Püpke, copy.worXX, 92 S., 14.90 €) kann erworben werden bei copyworxx, Lieberoser Str. 36, 03046 Cottbus o. bestellt werden bei buch@copyworxx.de

 

Teilen.

Hinterlasse eine Antwort