Die Geheimnisse meiner Frau – März 2021

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Das Geheimnis ihrer Kochkunst

Meine Frau kocht folgendermaßen: Sie schüttet allerlei erlesene Dinge in einen Topf, rührt ein wenig um, stellt ihn auf den Herd und verlässt den Ort, um draußen zu rauchen oder zu telefonieren oder beides. Sie ist der Überzeugung, die Zutaten  im Topf hätten nun eine Weile damit zu tun, sich selbsttätig zu vermischen und zu erwärmen und eine Beobachtung dieses Prozesses sei vertane Zeit. Wenn ich eine halbe Stunde später an den qualmenden Herd trete und aus den Töpfen herauskratze, was sich noch nicht in die Beschichtung eingebrannt hat, sagt sie mit schelmischer Selbstironie: „Dabei hatte ich alles auf ganz kleiner Flamme!“ Immer, wenn ich sie für ein nicht missglücktes Essen dankbar lobe, fühlt sie sich ermutigt, an einen legendär gewordenen Auflauf von vor drei Jahren zu erinnern, bei dem der Blumenkohl derart verglüht war, dass ich das ganze zunächst für einen Salat hielt. Dann sagt sie anerkennend: „Ich verstehe bis heute nicht, wie Du das damals essen konntest.“

Dass ich noch nicht verhungert bin, liegt an den Frühstücksbroten, die mir meine Frau mit auf die Arbeit gibt, im Büro werde ich wegen der in Frühstückspapier eingewickelten Pakete anerkennend belächelt.

Bleibt die Spannung vor dem Essen am Wochenende. Manchmal fährt meine Frau dann zu ihren Eltern, die unweit wohnen und kommt mit einem Topf gefüllter Paprikaschoten wieder und erklärt strahlend: „Guck mal, das hat Deine Schwiegermutter für uns noch mitgegeben!“ und die Sache ist gerettet.

Meistens heißt es aber gegen 14 Uhr: „Wir haben heute so spät gefrühstückt, ich glaube, ich habe heute gar keinen Hunger mehr auf Mittagessen.“ Dann gehe ich zum Tiefkühlfach, greife nach einem Bofrost-Gericht, das ich eine Stunde lang am Herd verfeinere und weiß, dass ich bald höre: „Das riecht so gut, da kriegt man direkt doch wieder Appetit.“ Dann essen wir fröhlich Mittag. Es schmeckt meiner Frau, die sich schließlich zur finalen Würdigung hinreißen lässt: „Hast Du ein Glück, dass ich immer so gut einkaufe.“

Hellmuth Henneberg

“Die Geheimnisse meiner Frau”  (mit Illustrationen von Antje Püpke) erscheint im März 2021 bei copyworxx (www.copyworxx.de)

 

 

 

 

 

 

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